Bevor wir nach Myanmar reisen, gibt es noch ein paar Tage Zwischenstopp in Bangkok um einerseits unser Visum zu besorgen und andererseits – VIEL WICHTIGER – treffen wir hier endlich Sara, Julia und Alex, unsere Reisegefährten für die nächsten zwei Wochen.
Glücklich vereint und etwas aufgeregt steigen wir in den Flieger nach Mandalay, der mit knapp 1,6 Millionen Einwohner zweitgrössten Stadt des Landes.
Ein Schweizer Franken ist umgerechnet irgendetwas zwischen 1200-1300 Burmesischen Kyats. Auch wenn wir wussten, dass die Währung wie bei vielen anderen Entwicklungsländern inflationär ist, schauen wir doch ziemlich verdutzt als Sara nach dem Wechseln von CHF 1000 wie Dagobert Duck mit einem Päckchen voller abgezählter Geldbündel zurückkommt. Nun kann das Abenteuer beginnen.
Myanmar, auch Burma oder Birma genannt, galt durch seine teils sehr blutige Militärdiktatur lange Zeit als schwieriges Reiseland. Erst als 2011 ein Präsident als Staatsoberhaupt eingesetzt wurde, hat sich das Land wirtschaftlich und politisch geöffnet was auch für den Tourismus zahlreiche Änderungen mit sich brachte. Trotzdem sind noch weite Teile des Landes wie der Chin oder der Shan Staat für den Tourismus gesperrt oder nur durch viele Einschränkungen wie spezielle Reiseerlaubnisse oder einen Führer zugänglich. Unsere Reiseroute ist daher ähnlich wie die der meisten Touristen über Mandalay, nach Bagan, Kalaw, zum Inle See, Yangon und zum Schluss noch einen Abstecher nach Ngwe Saung an die Westküste.
Im Verlauf unserer Reise merken wir dann auch, dass die Burmesen sich zwar sehr über den Wandel freuen, aber nur ungern darüber Meinungen äussern. Man spürt doch stark, dass sie Angst haben etwas Falsches zu sagen und ins Visier des teils doch noch präsenten Militärs zu kommen.
Sobald wir unser Gepäck im Hotel in Mandalay deponiert haben, treffen wir uns mit knurrenden Mägen in einem aus Saras ‚Stefan Loose Reiseführer‘ vorgeschlagenen burmesischen Restaurant. Dazu vielleicht eine kleine Ergänzung, denn Stefan Loose war sozusagen unser sechster Reisegefährte, welcher uns gekonnt durchs Land und etwas weniger gekonnt durch die Restaurants von Myanmar führte :-)
In einem Staat der insgesamt 135 Ethnien mit eigenständigen Esskulturen vereint, sind wir gespannt auf unsere erste kulinarische Erfahrung. Basis der meisten Mahlzeiten bildet der Reis. Darum gruppieren sich verschiedene Gerichte aus Gemüse, Fisch, Huhn, etc. die sich gegenseitig ergänzen und von einer leichten Gemüse- oder Fischsuppe begleitet werden. Der Anblick unseres ersten burmesischen Mahls liess uns wahrlich das Wasser im Munde zusammenlaufen, denn es sah einfach superlecker aus.
Leider mussten wir kurz darauf zugeben, dass wir nach den geschmacklich unschlagbaren Curries aus Indien, Sri Lanka und Thailand von den burmesischen Curryvariationen doch eher enttäuscht wurden. Im Gegensatz zu seinen asiatischen Nachbarn sind die burmesischen Köche Spezialisten für milde Curries, d.h. mehr Wasser und Bindemittel, dafür weniger Kokosmilch, Zitronengras oder komplexe und scharfe Gewürzmischungen. Dieses Geschmackserlebnis zog sich dann leider mit einigen Ausnahmen quer durchs Land, dafür entdeckten wir neu die Salatkultur für uns. Diese ist hier kombiniert mit Reis einfach unschlagbar. Tomaten, Seegras, Avocados, Teeblätter und weitere Gemüsesorten werden mit Limettensaft, gerösteten Erdnüssen, Kichererbsenmehl, Zwiebeln und Chilis vermischt, was einen einzigartigen Geschmack ergibt.
Als kulinarischer Höhepunkt des Landes gelten Gerichte mit fermentierten Teeblättern mit welchen wir uns alle 5 (die Ausnahme bildet Saras Stefan Loose) nicht richtig anfreunden konnten. Traditionellerweise werden die Teeblätter in einem Bambusstock unter der Erde während 6 Monaten gereift (=Fermentierung). Das gut-gegärte Ergebnis schmeckt auch nach mehrfacher Überwindung leicht ‚faulig‘ und konnte uns auch nach vier Wochen nicht für sich gewinnen.
Auf den Rat von Stefan Loose lassen wir uns am zweiten Tag für eine Radtour quer durch Mandalay begeistern, womit er dieses Mal ins Schwarze traf.
Zuerst geht es zum goldenen Palast des König Mindos, wo er angeblich bis 1876 mit seinen 43 Frauen und 104 Kindern gelebt hat.
Danach lassen wir das bunte Treiben und die vielen Gerüche auf dem Markt auf uns wirken bevor es zum Sonnenuntergang zum Sunset Point geht.
Da in der Trockenzeit die Flüsse zu wenig Wasser haben und dadurch nur wenige Boote nach Bagan fahren, entscheiden wir uns als Alternative für den Zug. Zugfahren in Myanmar ist ein wahres Abenteuer. Das ganze Rollmaterial sowie das Schienennetz stammt aus den 50er Jahren und wurde seither auch kaum gewartet.
Genauso spannend wie das Zugfahren selbst ist auch der Kauf von Billetten. Wie so oft in diesem Land, fühlt man sich auch hier Jahrzehnte zurückversetzt. Es dauert eine ganze Weile und ein gutes Wort vom Bahnhofsoffizier bis sich der Herr am Schalter bereit erklärt uns auch ohne Pässe zu bedienen. In einer Seelenruhe stellt der fleissige Herr für jeden einzeln auf den Namen lautend die Tickets aus während hinter ihm die anderen Angestellten auf zwei Holzliegen ein Nickerchen machen. Nach etwa 20 Minuten ist es dann endlich soweit und wir halten unsere Tickets in der Hand.
Rund um den Bahnhof sehen wir dann die erste traurige Seite des Landes. Leider gibt es sich auch hier: die vielen Strassenkinder die mit ihren Familien am Rande der Bahngleise leben. Mit hoffnungsvollen Augen strecken sie uns ihre leeren Hände entgegen und greifen begeistert nach den Litschi-artigen Früchte, die wir zuvor am Obststand gekauft haben. Hungrig beissen sie direkt in die harte stachelige Schale und es scheint als hätten sie diese Frucht aus ihrem eigenen Land noch nie gegessen.
Der Zug fährt um 21 Uhr und so bringen wir unsere Fahrräder am Abend zurück zum Hotel und holen gleich unser Gepäck. Geplant wäre, dass wir auf dem Weg zum Bahnhof noch irgendwo was Kleines zu Essen holen. Doch plötzlich drängt die Zeit und die Jungs erklären sich bereit in der Garküche zu warten, während wir bereits die Richtung zum Bahnhof einschlagen. Kurz vor 21 Uhr erreichen wir die Bahngleise, von Mike und Alex noch keine Spur. Der Zug setzt sich schon fast in Bewegung als die zwei rennend auf die letzte Sekunde in den Wagen hüpfen.
In unserem Zug gibt es nur die Holzklasse welche ihrem Namen alle Ehre macht. Dicht aneinandergedrängt sitzen wir bei über 30 Grad wie die Hühner auf dem Bänkchen. Bei jeder Kurve ruckelt das Abteil von links nach rechts und von oben nach unten was Schlafen oder aufs Klo gehen so gut wie unmöglich macht.
Nach ein paar Stunden steht der Zug dann plötzlich still, kein Zentimeter geht mehr. In der Dunkelheit draussen stehen der Ticketeintreiber, der Lokomotivführer sowie ein paar andere Jungs, welche lauthals diskutieren. Ein weiterer Junge schöpft ein paar Meter entfernt Sand in einen Eimer, welchen sie dann zusammen auf die Gleise leeren. Erstaunt erkundigen wir uns was dann eigentlich los sei, da wir schon Geschichten über endlose Zugfahrten mit entgleisten Zügen gehört haben. „Nicht so schlimm“, meint der Ticketjunge, „das Rad berührt an dieser Stelle die Gleise nicht, daher müssen wir etwas Sand aufschütten – gar kein Problem, Sir“. Na dann sind wir ja beruhigt. Das Szenario wiederholt sich während der nächsten Stunden mehrere Male und so werden aus den geplanten 6 plötzlich 9 Stunden Fahrzeit.
Völlig übermüdet versuchen wir unsere Körper in eine einigermassen bequeme Stellung zu bringen um ein paar Stunden zu Schlafen. Aussichtslos wie es scheint und so opfert Mike wie so oft seinen Sitzplatz und legt sich auf den verschmutzten Boden im Abteil. 1-2 Stunden später lernt auch Sara die Vorteile des Bodens kennen und legt sich neben Mike. Im Halbschlaf gehen die restlichen Stunden im Schneckentempo vorbei und mit einem erleichterten Seufzer erreichen wir irgendwann endlich Bagan.
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