Am vierten Tag unserer Intrepid Reise geht es von Varkala weiter nach Alleppey. Nach einer waghalsigen Tuctuc-Ralley und zwei Stunden im Zug in der Seater Class erreichen wir um 9 Uhr unser Ziel. Emily, eine Australierin mit hellblondem Haar, ist froh endlich dem Zug entflohen zu sein. Ihre blonde Haarpracht sprach sich schnell herum und unsere indischen Mitpassagiere wollten sich diesen Anblick auf keinen Fall entgehen lassen. Besonders Wagemutige drängten sich in den hinteren Sitzen zu Emily vor, um mit kennendem Blick eine Tastprobe zu nehmen und dann triumphierend zu ihren neidischen Freunden zurückzukehren.
In Alleppey angekommen, gönnen wir uns erstmals ein ausgewogenes Frühstück. Gespannt und hungrig wagen wir uns an die keralische Frühstücksspezialität: eine Art Paratha mit Egg und Kichererbsen Masala. Für den Engländer und die Australier war dieses Geschmackserlebnis den von ihnen gewohnten „Egg and Beans“ nicht weit entfernt. Nur das es sich um Enten- anstelle der heimischen Hühnereier handelte. Wir und die Deutschen empfanden die ungewöhnliche Kombination der Geschmäcker gewöhnungsbedürftig, wir assen aber unsere Teller unter dem erwartungsvollen Blick von Thil, unserem Team Leader, artig leer.
Alleppey liegt an der Küste des Arabischen Meers und ist über die Wasserstrassen der Backwaters mit Kochi, Thrissur und Kollam verbunden. Aufgrund ihrer zahlreichen Kanäle bezeichnet man die Stadt auch als „Venedig des Ostens“. Viele Bootsfahrten in die Backwaters werden von hier aus gestartet, wie auch die unsere.
Nachdem alle satt waren, ging es los aufs zuvor hochangepriesene „Kettuvallam“, ein Hausboot. Diese wurden früher als Getreideschlepper genutzt, um den frisch geernteten Reis aus dem reichhaltigem Land der Backwaters zu transportieren. Ausgestattet mit Küche inklusive zwei eigenen Köchen, zwei Doppelzimmern mit Badezimmer sowie einer gemütlichen Lounge mit Essbereich. Ganz vorne nicht zu vergessen – unser Kapitän mit geschwellter stolzer Brust und eleganter Matrosenkappe.
Nach einer Stunde war ein Halt bei einer Art Brauerei unter Palmen eingeplant, wo der lokale Kokosrum „Kallu“ hergestellt wird. Dem Kokosnusssaft wird etwas beigegeben, sodass dieser an der Luft fermentiert – genauer gesagt verdoppelt sich das Volumen des prächtigen Säftchens nach jeder Stunde an offener Luft.
Gespannt schnüffelten wir an unseren Gläsern und eine herbe, beissende Brise stieg uns in die Nase. Etwas angewidert und verunsichert, hielten wir unsere Becher in sicherer Distanz, bis Thil uns ermutigte, dass der Geruch ganz anders rieche als der Geschmack. Sowie dies auch bei bestimmten guten Weinen der Fall sei. Einer nach dem anderen nippte nun an seinem Glas – der Geschmack übertraf tatsächlich den Geruch im positiven Sinn – alles in allem schmeckte die Substanz aber mehr nach schlechtem, verdorbenen Wein als sonst was. Das Gute daran: Mit jedem Schluck schmeckt der Kallu etwas besser :).
Dann ging es zurück aufs Boot wo uns die zwei Köche grosszügig mit keralischen Spezialitäten beglücken. Mit vollen Mägen geniessen wir die Aussicht auf die vielen Fischerdörfchen und das bunte Treiben entlang des Wassers. Die Kanäle Keralas haben einiges zu bieten. Die amphibische Landschaft hat ein einzigartiges Ökosystem, denn das frische Süsswasser von den Flüssen trifft hier auf das Salzwasser des Arabischen Meers.
Das monotone Schaukeln im Einklang der Wellen macht schläfrig. Wir legen uns in eines der grossen Betten und nicken kurz darauf ein, bis wir vier Stunden später von den anderen geweckt werden. Das heutige Ziel „Ayana’s Pampatheeeram Homestay“ inmitten der Backwaters ist erreicht. Am Anlegesteg erwartet und bereits der etwas ältere, zierliche Hausherr Vinit.
Zur Begrüssung gibt es eine kleine Zeremonie, wobei er jedem liebevoll rote Farbe auf die Stirn streicht und ein paar farbige Blüten über den Kopf rieseln lässt. Danach gibt es heissen Chai und Kokoskekse. Die Hälfte von unserer Gruppe wird in seinem Haus einquartiert und der Rest fährt abends auf die andere Seite des Flusses wo es einen weiteren Homestay gibt.
Sein Sohn Gopalan begleitet uns auf einen Village Walk rund um die Insel. Schnell wird uns bewusst, wie einfach die Leute hier leben. Viele arbeiten auf den Reisfeldern der wenigen Grundbesitzer und wohnen in kleinen Lehmhütten. Die Kokospalmen gelten als „Rundumversorger“ für diverse Zwecke: zum Bauen von Dächern und Trennwänden, die Palmblätter zum Frischhalten von Speisen, aus den Fasern der Kokosnuss werden Taue hergestellt und aus dem Kokosfleisch gewinnt man das wertvolle Palmöl. Entlang des Flusses sehen wir Frauen beim Waschen wobei der zierliche Anblick täuscht. Mit einer unermüdlichen Kraft reiben sie gekonnt die Stoffe ein und schlagen sie danach wiederholt über die Waschsteine. Eine Schwerstarbeit, denn bereits das viele Auswringen hinterlässt bei Anfängern innert Kürze blutige Schwielen an den Händen.
Die Sonne grüsst noch das letzte Mal hinter den Reisfeldern hervor, bevor die Nacht überhand gewinnt und über uns hineinbricht. Die Stimmung in der Abenddämmerung ist magisch. Die Vogelstimmen erstummen und ein Schwarm riesiger Fledermäuse nimmt den Platz am Himmel ein. Beeindruckt von ihrer Grösse frage ich mich, was sie wohl essen mögen und nehme mir vor später im Web zu recherchieren. (Das habe ich dann auch gemacht und beruhigt festgestellt, dass sie sich grösstenteils von Früchten ernähren :).)
Zurück bei der Gastfamilie erwarten sie uns bereits mit einem reichhaltigen Abendessen, einem Thali mit sieben Beilagen. Erhobenen Hauptes präsentiert und der Hausherr stolz die verschiedenen Köstlichkeiten aus der Küche, indem er bei der Ankunft jedes Gerichtes mit seinem Löffelchen ans Glas trommelt und mit einem heisernen „Yes please“ um unsere Aufmerksamkeit buhlt. Ich war schon immer ein begeisterter Anhänger der indischen Küche und Naan als Beilage durfte bei keinem Curry fehlen. Hier in Kerala wurde dieses nun vom Treppchen gestossen und durch meinen neuen Liebling „Lacha Paratha“ ersetzt. Die Basiszutaten sind dieselben, durch die aufwendigere Zubereitung schmeckt das Ganze aber noch köstlicher! Also unbedingt probieren falls ihr die Möglichkeit dazu habt. Zum goldigen Abschluss zaubert die Küche den „Masala Pudding“, ein Dessert ähnlich wie Milchreis mit dünnen Nudeln, Rosinen, Mandeln und indischen Gewürzen (v.a. Kardamon). Eigentlich sind wir keine Fans der indischen Süssspeisen, aber diese schmeckt wirklich lecker (warm oder kalt serviert). Wir haben euch deshalb hier das Rezept dazu herausgesucht.
Am nächsten Morgen gabe es nach der Yoga-Session zu, Sonnenaufgang auch schon wieder Frühstück. Noch gesättigt von dem reichhaltigen Abendessen kämpfen wir der Höflichkeit zuliebe mit unseren Tellern, während der Hausherr mit heiserem „Yes please“ weitere Frühstückskomponenten auftischt. Die Gastgeber meinen es wirklich gut. Hierbei muss man anmerken, dass die Inder (v.a. jene aus den mittleren und hohen Schichten) sehr viel essen. Und mit „viel“ ist wirklich viel gemeint. Die drei täglichen Mahlzeiten sind heilig und jede weitere ist herzlich willkommen. Dabei unter unterscheiden sich diese nicht allzu sehr: 1-2 Curries, eine Schale Reis und Chappati/Roti sind gegebene Bestandteile die beliebig ergänzt werden können.
Dann gibt es die zweite Kategorie: Zwischenmahlzeiten. Darunter fällt ein zuckersüsser Chai am Besten kombiniert mit etwas Frittiertem wie Samosas, Pakoras oder Kroketten indischer Art. Leider sind die indischen Essgewohnheiten nicht ganz spurlos an uns vorbeigegangen und unsere Körper haben die Reservespeicher über die letzten 2-3 Wochen erfolgreich gefüllt :(.
Nachdem alle Bäuche erneut vollgeschlagen sind, geht es mit dem Boot zurück nach Alleppey und von dort in den Bus in Richtung Kochi.
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